Geschichte

Die Schule vor dem Hehlentore

Die Hehlentorschule ist damit eine der ältesten Schulen des engeren Stadtgebietes, ihr Schulhaus das Älteste. 1997 feierte sie ihr 125-jähriges Jubiläum und 2022 ihr 150-jähriges Jubiläum. Aber schon viel früher, seit 1632,  wird nördlich der Aller ununterbrochen Schule gestaltet.
Schule meint immer zweierlei: den Unterricht und den dazu benutzten Raum. Die Räume wechselten. Die erste uns bekannte „Schulstube“ war das Wohnzimmer des Oeconomen Holekamp von der Lüneburger Straße.

Zu einem eigenen Schulhaus wollten sich die etwa 100 Leute (1750) nicht aufraffen, die einen wegen bitterer Armut, die anderen, weil sie ihre Kinder nie in die „Niedere Schule“ schickten. Ihre Kinder gingen in die 3 Vorklassen der Höheren Schulen.

Mädchen und Knaben wurden gemeinsam unterrichtet und bis um 1720 auch die aller Konfessionen. Bis um 1850 war die Schule eine „einklassige Landschule“ der Burgvogtei Celle. Sie arbeitete zuweilen mit „Wanderlehrern“.

1844/45 wurde die politische „Gemeinde vor dem Hehlentore“ eingerichtet. Sie gehörte bis 1869 nicht zur Stadt Celle und blieb bis 1885 die zweitärmste der Stadt. Der Schulbezirk umfasste das Gebiet nördlich des Allerüberganges – soweit die Bebauung reichte – ausgenommen zwei Häuser am Bremer Weg.

Schule war vom 18. Jahrhundert bis 1918 eine Ganztagsschule und lebte vom Schulgeld, einigen Regierungszuschüssen und ab 1855 auch von den Schulsteuern. Je nach Alter der Schüler und Steuerklasse der Eltern war die Schulsteuer zu bezahlen.

Schule war in und um Celle anfangs ein gutes Geschäft. Die Wirtschaft benötigte gläubige, schreibende, lesende und rechnende Arbeitskräfte. Es gab zunächst 4, dann 2 „offizielle Schulen“ in der Stadt, dazu eine städtische Rechen- und Schreibschule. Daneben entwickelten sich auch inoffizielle „Winkelschulen“, die man wortreich bekämpfte, aber doch duldete. Die Aufsicht über die Hehlentorschule hatten die Stadtkirche und die Burgvogtei. Die Kosten trugen die Gemeinden oder der Gesamtschulverband. Die Stadt Celle hat bis 1867 „keinen Pfennig“ zum Unterhalt der Schule beigetragen. Sie war dazu nicht verpflichtet. Einzig das Consistorium als Oberbehörde überwies bis 1872 armen Gemeinden Zuschüsse.

Im Jahre 1872 wurde der älteste heute noch stehende Schulteil errichtet. Doch bis es dazu kam, war noch ein langer Weg zurückzulegen. Was geschah nicht alles um 1872! Der „Deutsche Bund“ war ein „Norddeutscher“ geworden und 1871 ein „Deutsches Reich“. Das Königreich Hannover wurde von Preußen annektiert. Die Revolution von 1848 war noch nicht lange her, ebenso die Gemeindegründung. 1869 wurden die „Vorstädte“ in die Stadt eingemeindet, wobei die Schulverhältnisse unberührt blieben. Zwei Kriege hatten stattgefunden. Die Welt hatte sich verändert! Es waren aufregende, lebhafte und nach ärmlichen wieder fette Jahre gekommen. Auch die Schule hatte auf dem Wege so allerlei erlebt!

Ein Lehrer Biermann erhielt 1815 einen Unterrichtsraum im elterlichen Hause. Dieses war 1731 erbaut worden und lag inmitten der Gärten. Es war ein ärmliches, zunächst wohl strohgedecktes Haus aus Lehmwänden mit Verbretterung der Westseite und Ziegelwänden an den anderen. Ein Ziegenstall und eine Nachtwächterwache waren angebaut. In den Unterrichtsraum passten nur 3 lange Schreibbänke. Viele der 100 Kinder saßen auf wenigen lehnenlosen Bänken, knieten auf der Erde oder hatten Stehplätze. Etwa 40% schwänzten die Schule. 1831 fiel das Haus an Biermann. Nun hatte er eine eigene Schule, dunkel, dunstig, mit feststehenden Fenstern mit Butzenscheiben. Er war nun räumlich unabhängig von jedermann. 1826 wurde die Harburger Straße gebaut. Damit tauschte man die Gartenatmosphäre gegen das Peitschenknallen und Gebrüll der Fuhrleute ein, die ihre Pferde den Berg hinauftrieben und die Wagen bergab zu bremsen sich bemühten. Bis an die Teichmühle stauten sich zuweilen die Fuhrwerke! Einen Schulhof für die Kinder gab es nicht.

Biermann unterrichtete bis 1841. Niemand bewarb sich danach um die freie Stelle. Erst 1844 übernahm ein Lehrer Waldtmann die Schule. Man muss ihm Hoffnung auf Besserung gemacht haben. Er hatte mit seiner 7-köpfigen Familie ein Hungerleben. 35 Taler (T) Miete hatte er seinem Vorgänger zu zahlen, der noch dazu oben im Hause wohnte. Am 4.3.1844 trat die „neue“ Gemeinde vor dem Hehlentore ins Leben. Sie würde alles bessern für sich und seine 130-150 Schüler. Er lud auch sofort alle die selbstbewussten und zahlungsunwilligen Gemeindevertreter in seinen Unterricht, und diese konnten dann nicht anders, als Besserung zu versprechen. Es wurde beschlossen, das Schulhaus und den Garten für 1700 T zu kaufen. Jetzt besaß die Gemeinde eine eigene Schule, als letzte der dörflichen Vorstadtschulen. (Neustadt, Blumlage, Hehlentor, Trift) Mit 500 T brachte man dann die Schulstube von 2,40 m auf 3,40 m Höhe und 41 qm, so dass 10 Schreibbänke hineinpassten. Was half das aber bei einer so hohen Schülerzahl?!

Da geschah Entscheidendes! Der Staat richtete die „Schulvorstände“ ein. Der für die Hehlentorschule bestand 1852 aus 8 Leuten: Pastor, Lehrer und sechs in drei verschiedenen Gemeindebezirken gewählten Vertretern. Vom „Gemeindevorstand“ war man unabhängig und konnte alle Etatfragen, Lehrergehälter und Schulangelegenheiten der Gemeinde regeln. Die „Gemeindeverwaltung“ aber wollte sich die Schulsachen nicht aus der Hand nehmen lassen. Der neue Schulvorstand beschloss sofort einen Schulneubau, und, wenn die Gemeinde sich wehrte, die Anrufung „Seiner Majestät“ wegen Kompetenzüberschreitung! Das brachte die Gemeindeverwaltung auf!

Fast gleichzeitig, 1854, wurden die „Schulsteuern“ eingeführt, eine Steuer, die jeder „Steuernde“ zu zahlen hatte. Nun kam erheblich mehr Geld in die „Schulkasse“. Die Erregung über diese neue Belastung war sehr groß. Die Gemeindeverwaltung und deren Anhänger stellten sich gegen den beschlossenen Schulbau. Wegen der Ärgernisse tagte der Schulvorstand 2 Jahre nicht, was eigentlich strafbar war! Doch man beruhigte sich auch wieder.

Der Schulneubau wurde vom Consistorium genehmigt. 1858 kaufte man überraschend den gegenüberliegenden Westphalschen Garten (heute Parkplatz und Friedhof) für 1750 T. Nun hatte man ein anderes, gutes Grundstück. 4,5% Zinsen belasteten die Kasse. Die Schulsteuern wurden auf 275 T jährlich erhöht. Als die Pläne für diese neue Schule bekannt wurden, ging die Erregung wieder an! Die Gemeinde legte gegen die Baugenehmigung erfolgreich Widerspruch ein. Denn die Gemeinde gehörte zu den vorgesetzten „Kirchenkommissarien“, die dem Schulvorstand vorgesetzt waren. Es begann eine schlechte Zeit. Man bekämpfte sich heftig, drohte einander, verleumdete, versuchte zu erpressen, verdächtigte und spann hinterlistige Intrigen, auch amtliche Beteiligte. Die politische Gemeinde erfand nun gegen den Bauplan einen eigenen, der natürlich besser, schöner und vor allem billiger sein sollte. Am Ende einigte man sich auf einen gemeinsamen Bauplan der „Gemeindeverwaltung“, eben auf den 1872 verwirklichten. Die neue Schule sollte hinter die alte gesetzt und diese abgerissen werden. Nun musste man das Geld beschaffen. Das dauerte lange. Die Zeit bis zum Bau überbrückte man, indem man den Lehrer auf „Mietentschädigung“ (heute Wohngeld) setzte, ihn also aus dem Schulgebäude wies! Durch die Einstellung eines 2. Lehrers verminderte sich sein Gehalt um fast 60 T! Man riet ihm unbarmherzig, sich doch eine neue Stelle zu suchen! Doch schließlich erhielt er eine höhere Mietentschädigung (80 T). Die Schule hatte nun 2 Klassenräume und 2 Lehrer für an die 200 Schüler. Lehrer Waldtmann schied dann verständlicherweise aus dem Dienste und ging als Registrator zum Werkhaus.

Es war nicht so leicht, die Baugelder zu beschaffen. Für 1100 T kaufte man das alte Schulgebäude von der Gemeinde. Den früher erworbenen Garten verkaufte man für 1800 T. Es blieb ein Überschuss von 200 T, die in einen Baufonds gezahlt wurden. In jedem Jahre kamen Gelder aus der Schulsteuer zusammen, insgesamt 736 T. Der alte Bauzuschuss des Consistoriums von 800 T lag schon lange auf der Kasse. Dort lieh man sich weitere 993 T. 4500 T bekam man aus der Tribunalwitwenkasse. 1869 konnte man endlich an den Neubau denken. Am 9.5.1871 wurde er beschlossen. 7408 T sollte er kosten. Am 6.3.1872 war Subskriptionstermin. Zur Überraschung aller war ein gut beleumdeter Maurer der billigste. Man erklärte diesen aber für nicht leistungsfähig genug und gab den Bau an den nächst Günstigsten, der Mitglied des Schulvorstandes war. Schon im Juni konnte der neue „dirigierende Lehrer“ in seine neue Dienstwohnung ziehen. In den Herbstferien 1872 wurde das alte Schulgebäude abgerissen und am 16.11.1872 fand die feierliche Einweihung statt.

„Zu dieser Feier waren einige Schulvorsteher und andere Einwohner erschienen; und so zogen die Kinder um 9 Uhr morgens, von ihren Lehrern geführt, unter Ansingen des Gesanges: <Bis hierher hat mich Gott gebracht> in das mit Girlanden und Kränzen reich geschmückte neue Gebäude ein, wo vom Pastor Diestelmann im Klassenzimmer der 1. Klasse in würdiger Form die Einweihungsrede gehalten wurde. Nachdem die Kinder zum Schluss den Choral <Nun danket alle Gott> gesungen hatten, wurde die Feier geschlossen, worauf am folgenden Morgen der gewöhnliche Unterricht begann.“

Der Neubau fand in einer sehr aufregenden Zeit statt, die die Lehrer zu weitgehenden Forderungen anregte, denen sich alle Elementarlehrer (Volksschullehrer) der Stadt anschlossen, zu der man ja seit 1869 nun auch gehörte. Man wollte mit den Stadtlehrern gleichgestellt werden, und die Schulen sollten zu einem Gesamtschulverband vereinigt werden, der alle Schulen gleichstellte. Das hatte man schon 1869 versprochen, aber bis dahin nicht gehalten. Zur gleichen Zeit ging es um die Einrichtung eines Realgymnasiums, was eine krasse Bevorzugung der Höheren Schulen darstellte. Der Minister in Berlin erließ ein Verbot dahingehend, dass die Höheren Schulen erst wieder gefördert werden sollten, wenn das Volksschulwesen der Stadt auf einen besseren Stand gebracht worden sei. Das nun konnte mit Hilfe der neuen Schule gut nachgewiesen werden, und der Minister hob sein Verbot auf. Das übrige Volksschulwesen der Stadt aber sank noch tiefer ab!

Nur die Hehlentorschule hatte für die160447 nächsten 15 Jahre die schönste, modernste und beste Schule weit und breit. Der Stadtbaumeister hatte gute Arbeit geleistet und sich dabei von dem berühmten hannoverschen Architekten Hase beeinflussen lassen, der in der „Hase-Gotik“ baute. Die Schule wurde im gerade üblich gewordenen „Massivbau“ ausgeführt. Er wurde wegen seiner Neuheit überall berühmt! Die Leute kamen von weit her, ihn zu besichtigen.

Besondere Aufmerksamkeit erregte die „Dunströhre“, ein Belüftungssystem, das sich aus dem „Muir’schen Lüftungsapparat“ entwickelt hatte. Nirgendwo sonst gab es so große Klassenräume. Und wo gab es schon Dienstwohnungen für Lehramtskandidaten? Und: Das hatte es in Volksschulen noch kaum gegeben: Die Schule hatte reichlich „Schmuck am Bau“! Das Dach war mit glasierten Dachziegeln gedeckt, die Fenstersimse mit solchen dunkelroten Bausteinen gebaut, die Fenster mit gelben Ziegeln geschmückt und engobierte Steine als Schmuck eingefügt. Auf dem Dache drehte sich eine eiserne Wetterfahne mit der Jahreszahl 1872. Sie stürzte 1972 herunter und veranlasste dadurch die Jubiläumsfeier. Wo hatte es in der Stadt Celle je einen neuen Volksschulbau gegeben? Die Leute vor dem Hehlentore zahlten noch lange die höchste Schulsteuer der Stadt. Der Friede zog mit dem Ruhm in die Gemeinde ein und auch andauerndes schulisches Glück. Auf diesen Neubau bezieht sich das diesjährige Jubiläum. Doch, ein Schulbau ist niemals fertig! Er kann es nicht sein, denn die pädagogische Situation ändert sich ständig und mit ihr auch die äußere Hülle. 1881 stieg die Schülerzahl auf etwa 267 an. Man beschloss deshalb gemeinsam, und hier zeigte sich der Sinneswandel „im Hehlentor“, die Errichtung einer 4. Klasse, zu der der Lehrer und ein Klassenraum gehörten. Die Fundamente waren schon für diesen Fall stärker gebaut worden, so dass ein Klassenraum auf den anderen gesetzt werden konnte. Doch der Plan kam nicht durch. Die Gemeinde wirtschafte, so hieß es, im „Defizit“, eine weitere Belastung könne man ihr nicht zumuten. Außerdem seien die Leistungen die besten in Celle. Neue Vereinigungsverhandlungen seien im Gange, und man solle abwarten. Aber, man wusste ja, wie so etwas ausging. Die Schulsteuer wurde auf 36% erhöht, dann auf 40% und das Schulgeld um 1 Mark.

Schließlich stellte man erneut einen Bauantrag, der auch genehmigt wurde. Am 25.8.1884 war der Anbau fertig. Leider verlor die Schule durch ihn an Aussehen. Als Spätfolge musste die Schulsteuer auf 45% erhöht werden. Doch das schreckte nun niemand mehr.

Dann kam das bis dahin größte Ereignis der Celler Schulgeschichte! Bei Clemens Cassel kann man darüber lesen:

Celle hat den Ruf, das rückständigste und ungeordnetste Volksschulwesen des ganzen Bezirkes zu haben!…“

Nun sollte es anders werden mit der Unordnung, den krassen Unterschieden und der Vernachlässigung. Die Stadt musste die Schulen so organisieren, dass alle Schüler und deren Schulgemeinden die gleichen Möglichkeiten erhielten. Das bisherige Mieten von Schulräumen wurde untersagt. Man rechnete das Schulwesen in zähen Verhandlungen endlich auf 4 gleichartige Schulen um: die Blumläger, die Neustädter, die Hehlentor- und die „Altstadt-Neuenhäuser Schule“. Alle wurden einem gemeinsamen Rektor und Ortsschulinspektor unterstellt. Letzterer wurde der erste weltliche Schulaufsichtsbeamte! Rektoramt und örtliche Schulaufsicht lagen bei einer Person. Ein Schulvorstand der Stadt besaß und verwaltete die Schulen. Diese Reform dauerte von 1885-1892. Mit ihr entstand das derzeit modernste Volksschulsystem der Provinz, das der preußischen Regierung bei der Gesetzgebung nützen sollte. Celle wurde zum ersten und letzten Male eine pädagogische Berühmtheit im ganzen Lande!

Für die Hehlentorschule bedeutete das alles eine weitere bauliche Veränderung. Für 302 Schüler mussten 2 weitere Klassenräume, Lehrerzimmer und Lehrmittelraum gebaut werden. Der Schulbezirk wurde um die Fritzenwiese, Hehlentorstraße, die Mühlenmasch und die östliche Mühlenstraße erweitert, worüber sich die meisten Anwohner freuten. Die Kosten trugen der Staat und der „Evangelisch-Lutherische Gesamtschulverband der Stadt Celle“. Schulgelder und -steuern waren in der Stadt einheitlich. Die Schulen bekamen eine gemeinsame „Schulordnung“. Die soziale und pädagogische Bedeutung dieser Umwälzungen konnte und kann man gar nicht hoch genug einschätzen! Leider sind ihre Akteure vergessen, wie das immer im Schulwesen so geht, und das obschon die Reform das Celler Volksschulwesen 100 Jahre lang mitbestimmt und ihm hohe Qualität verliehen hat!

1889 erhielt die Hehlentorschule einen Anbau. Dieser wurde wegen Unregelmäßigkeiten zweimal ausgeschrieben. Im April war er fertig, konnte aber erst im Juli bezogen werden. Der Bau hatte, wie die drei anderen Schulbauten in Celle auch, vielen Ärger gemacht. Man verzichtete daher auf eine Einweihungsfeier, deren man 4 auszuhalten hatte. Der rechtwinklig an die Schule gebaute Anbau fügte sich gut in die Anlage ein, und viele glauben heute, er habe schon immer dazu gehört. Hinter dem Bau wurde ein Turnplatz eingerichtet, vor ihm ein 1903 erweiterter Abort. Für die Reinigung stellte man eine „Schulwärterin“ ein, die in der Schule wohnte. Der neue Rektor (August Walsemann) musste in jeder seiner 4 Schulen täglich Unterricht erteilen. Man kann sich denken, welche Wege und Umstände er zu bewältigen, welche Widerstände er bei einigen an den alten Zuständen hängenden Lehrern und Behörden zu überwinden hatte. Doch die Arbeit zahlte sich für Celle aus. Die Leute fingen an, ihre Kinder lieber in die neu organisierten Volksschulen zu schicken als in die noch bis 1893 bestehende „Bürgerschule“. Ein Zuzug von außen setzte ein. Gleichzeitig mit dieser Reform veränderten sich der soziale Aufbau der Schulgemeinde, die Leistungen und das Ansehen der Hehlentorschule.

1887 wurde als erste Schule die Blumläger eingeweiht. Der Rektor dankte der königlichen Regierung, die „die hochnötige Reorganisation durchgesetzt“ hatte. Er starb dann, bei seinen Lehrern hoch angesehen, nach der Erledigung seiner Aufgaben 1891 an Entkräftung und überließ seinem Nachfolger Schäfer und der Stadt das fertige Werk einer pädagogisch gut organisierten und ausgerichteten Schule.

Auch dem Schulgelände galt besondere Aufmerksamkeit. Es wurde mit einer damals sehr modernen, hohen Ziegelmauer und dort, wo man erweitern zu können hoffte, mit einem Lattenzaun umgeben. Die Schulhöfe für Mädchen und Jungen trennte man durch einen Bretterzaun. Die Höfe und der Turnplatz wurden mit Kies oder Schlacke beschichtet. 23 Ahombäume wurden angepflanzt, von denen leider keiner die menschlichen Regungen und Stürme überdauert hat. 1908 legte man hinter der Schule einen „Schulgarten“ an. 1900 erhielt die Schule Wasserleitung, 1908 den Anschluss an das Kanalnetz, 1913 WCs, 1917 ein Telefon. Sie blieb weiterhin die schönste Schulanlage der Stadt. Leider aber endete das Schulgrundstück gleich hinter der Schule.

Dieses Schulsystem bestand bis 1906/08. Eine neue Zeit kündigte sich an. Die Schülerzahlen stiegen recht unterschiedlich. Die Verwaltung und Aufsicht (Inspektion) durch einen Rektor war eine mörderische Angelegenheit und das Selbstbewusstsein der Lehrerschaft erforderte neue pädagogische Maßnahmen. 1906 wurde ein neues Schulgesetz verkündet, dass die Unterhaltung und das Eigentum der Schulverbände den Gemeinden übergab, und die pädagogische Betreuung der Schulen neuen weltlichen Schulinspektoren oder Schulräten ohne Unterrichtsverpflichtung. Die letzte Sitzung des alten Gesamtschulvorstandes fand am 3 1.3.1908 statt. Bürgermeister Denicke nahm das Schulvermögen „ernst und bewegt“ in Empfang. Von nun an musste auch die Stadt für die Volksschulen zahlen. Diese gingen in eine rivalisierende Abhängigkeit von den Organen der Stadt. Die unteren Schulen mussten also wieder um ihren Unterhalt kämpfen. Die Zeiten politischer Selbständigkeit der Volksschule waren vorbei!

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Auch für die jetzt 420 Schüler starke Hehlentorschule änderte sich das „Regiment“. Die Blumläger Schule und die Neustädter Schule erhielten je einen eigenen Rektor, dem letzten gemeinsamen blieben die Trift- und die Hehlentorschule; allen wurden die Inspektionsrechte abgenommen. 1919 erhielten dann auch diese beiden Schulen eigene Rektoren. Für den der Hehlentorschule kaufte man das „Rektorenhaus“ von der Kirche. 1924 zog er dort ein.

Das Ende des Weltkrieges bedeutete den Anfang einer anderen Zeit, auch das vieler schulischer Gewohnheiten. 1919 wurde die „Grundschule“ eingerichtet und die „Vorklassen“ der Höheren Schulen aufgehoben. Einige der 13 Schulklassen mussten in Celle in den Räumen der MTV-Turnhalle, eines Hauses in der Schuhstraße, des Roten Kreuzes in der Fritzenwiese und in den Umkleideräumen der Turnhalle des Realgymnasiums unterrichtet werden! Doch schon bald kamen die geburtsschwachen Kriegsjahrgänge, und schon 1924 ging die Klassenzahl der Hehlentorschule wieder auf 8 zurück. Daraufhin wurden Gewerbeschüler in die Hehlentorschule gewiesen, die ihr das erste elektrische Licht einbrachten. Schon 1927 überstieg die Zahl der Klassen wieder die der Räume. Da immer noch der Grundsatz galt,eine Klasse – ein Raum, forderte man wieder einen Anbau. Doch wie immer, ging das nicht so glatt. In Celle standen noch Räume leer. Also schickte man die Kinder von einer Schule in eine andere. Das für Eltern und Schüler leidige Wandern (aufsplitten der Lernarten in Grundschule und Orientierungsstufe und dann Hauptschule, Realschule, Gymnasium) begann und sollte bis heute nicht aufhören! „Es ergab sich eine rechte Fülle von Unzufriedenheit“, besonders, als die Stadt 1928 die vornehme Altstädter Schule baute, gerade für diejenigen, die der Verbesserung des Schulwesens die größten Hindernisse in den Weg gelegt hatten. (Die Altstadt und die Gemeinde Neuenhäusen verhinderten vehement die Vereinigung um 1871 – 74 und waren auch gegen die von 1885.) Doch man erbarmte sich der Hehlentorschule und plante einen sehr großzügigen Anbau.

Dann kam die Weltwirtschaftskrise! So gab es dann nur noch eine kleine Lösung der Raumfragen. Ein gewandter Stadtvertreter meinte, man solle an die alte Schule nicht mehr viel anwenden. Doch der Anbau kam zustande. Mit Beginn des Schuljahres 1931/32 (Ostern) wurde er in Betrieb genommen. Er konnte seine Ähnlichkeit mit der Altstädter Schule nicht verleugnen und passte gar nicht zum alten Gebäude; doch lag er ja hinter der „Front“ der Schule. Er enthielt eine „moderne“ Toilettenanlage. Die alte wurde zum Brausebad. Die Südausgänge wurden verlegt, auch der Zugang an der Harburger Straße. Einige Blumenrabatten wurden um die Schule herum angelegt. Fortan gab es eine elektrische Klingel.

Jetzt fehlten der Schule eigentlich „nur“ noch die Sportanlagen, eine Küche und ein Werkraum. 1936 fing man an, sich um den Erwerb des Gemeindefriedhofes zu bemühen. Das wurde durch den Zweiten Weltkrieg verhindert. Dieser brachte der Schule mit seinen Folgen viel Schaden.

Soldaten, Hitler-Jugend, Rotes Kreuz, Polen, Engländer und andere Ausländer sowie ein städtisches Amt zogen in buntem Wechsel ein. Sämtliches Inventar wurde zerstört, in einigen Klassen sogar offenes Feuer entzündet. Die Eltern wurden zu einer „Inventarspende“ aufgerufen! Deren Schränke waren noch 1967 in den Räumen zu finden! Auch musste die Schule zeitweise die Kinder der geräumten Blumläger Schule aufnehmen, so dass sie auf 1700 Schüler kam. Sie wurde die „am meisten belegte“ Schule der Stadt. 167 Kinder kamen auf einen Klassenraum. Unterricht konnte nur in „Schichten“ (bis 18 Uhr) erteilt werden.

Die Kinder saßen auf den Fensterbänken, Hockern und Pultaufsätzen, schrieben auf „militärischem“ Papier und Zeitungsrändern. Der Rektor schrieb Eingabe auf Eingabe und bat um die Aufstellung von Baracken hinter der Schule.

Nach Eilplanung wurden sie als „Provisorium“ am 5.9.1949 an der Grundstücksgrenze aufgestellt und waren bis 1995 in Betrieb. Die Mädchen kochten in der Altstädter Schule, bis diese Pädagogische Hochschule wurde. Das Brausebad verwandelte man daraufhin 1953 in eine primitive Küche!

Im Laufe der Zeit normalisierten sich die Verhältnisse wieder. Die Sportstätten bekamen den Vorrang. Man turnte auf dem MTV Sportplatz an der Biermannstraße und in der MTV-Halle, ab 1955 in Klein Hehlen. 1958 gelang es, den Gemeindefriedhof zu entwidmen und der Schule zuzuschlagen. Lauf- und Sprungbahnen wurden angelegt, die Fläche eingeebnet und begrünt, zum Teil auch mit Sandkisten versehen. Der Schulhof wurde leider der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Damit hatte es sich dann auch. Alle diese Anlagen waren einfach und primitiv. Das meiste verfiel wieder und wurde ruiniert. Weiterhin fehlten eine Turnhalle, Physik- und Werkraum.

1960 erhielt die Schule einen der ersten 8 Schulkindergärten des Landes. Der Hausmeister zog in das Rektorenhaus. Seine Wohnung wurde zu Büroräumen. Gleichzeitig wurde auch das Lehrerzimmer neu eingerichtet und die Schulflure umgebaut, sowie ein einfacher Physikraum gewonnen.

1967 wurde das Schulsystem um die neu erfundene „Förderstufe“ (Kl. 5 und 6) und verbindlichen Englischunterricht erweitert, ein neuer Rektor mit Mittelschullehrerprüfung eingestellt. Mit dieser Neuerung setzte wieder das „Wandern“ der Kinder ein. Die Schule verlor nämlich die 3 oberen Jahrgänge an Klein Hehlen und erhielt dafür die 5. und 6. Klassen der Vorwerker und der Klein Hehlener Schulen. Anstelle der ruhigeren Großen (Damals waren sie das noch!) traten bis zu 180 muntere 10-12-jährige. Da die Schule nur 14 Klassenräume besaß, zogen an die 150 Kinder in jeder Pause in der Schule umher. Damit war das Prinzip: Jeder Klasse ein Klassenraum! aufgegeben worden. Die Kinder kamen nun aus 3 verschiedenen Schulbezirken. Lehrmittel, Gestühl und Größen mussten ausgewechselt oder neu beschafft werden, fremde Schüler sich an die neue Schule gewöhnen.

80-100 Kinder kamen im Sommer mit dem Fahrrad. Für sie mussten neue Fahrradständer erstellt werden, denn die alten von 1931 wurden wie die Ziegelmauer beim Bau der Turnhalle abgerissen. Auch die Schulküche war nun überflüssig. Sie wurde zu einem engen und primitiven Werkraum. Die Toiletten von 1931 wurden 1970 völlig neu gestaltet, ein einfaches Arztzimmer eingerichtet. Als ebenso nützlich wie störend wurde die eingebaute „Rundsprechanlage“ empfunden.

All das fand in einer sich schnell wandelnden Gesellschaft statt! Es war so allerlei los in den 60er- und 70er-Jahren: Studentenunruhen, Ideologisierung und Kinderläden, Antiautoritäre Erziehung, Legasthenikerprobleme und der propagierte „Weg nach oben“, „Doppelverdienen“ für alle. Die Schule stand vor einer schweren Belastung! Es war und kam eine Zeit der vielen Reformen. Sie schien ihrer Aufgabe nicht mehr gewachsen zu sein, hatte zu dem wissenschaftlichen Bereich den ideologischen in ihre Arbeit einbezogen.

Die Eltern protestierten gegen den Sportunterricht in Klein Hehlen, zu dem die Kinder den öffentlichen Bus benutzen oder zu Fuß gehen mussten. Diese Beschwerden führten zur Gründung des Schulvereins 1969 und der Einstellung des Sportunterrichtes an der Schule, dadurch letztlich auch zum Bau der Turnhalle. So war dann nach 100 Jahren die jetzt 570 Schüler starke und 22-klassige Schule um ein wesentliches Teil ergänzt worden.

1960 beschwerten sich die Eltern über die schlechten Lichtverhältnisse in den Klassen. Darunter waren 2 Experten für Lichtmessung. Sie wiesen der Stadt nach, dass die Beleuchtung bis zu 50% unter den Vorschriften lag. So wurde dann 1980 (Die Erneuerung war vorher stadtseitig abgelehnt worden.) das gesamte Lichtnetz aus- und ein neues eingebaut. Das hat sehr viel „Staub aufgewirbelt“. 1982 führte die Stadt die Erneuerung der Heizungsanlage und die Umstellung auf Gas durch. Sie war 1931 auf Dampf und später auf Öl umgestellt worden.

Wenig Verständnis fand die Einführung einer „Schlüsselanlage“. Die Hehlentorschule erhielt sie als letzte. Man war bisher immer stolz auf die offenen Räume gewesen. Doch die gesellschaftliche Situation hatte sich geändert, die Lehrer wurden langsam andere. Auch die Anbringung von Uhren auf den Fluren fand wenig Zustimmung. Schule nach Uhr und Klingel war unschulisch.

Nun fehlte der Schule nur noch die Erneuerung der Büroräume, des Lehrerzimmers und zuletzt die des Rektorzimmers. Auf die letzte hatte der Schulleiter stets verzichtet. 82 Aktendeckel waren auszulagern. Wie hatten sich doch die Zeiten geändert! Vor 25 Jahren hatte man eine gleichgroße Schule noch mit weniger als 15 Aktendeckeln „regieren“ können!

1986 musste der Rektor aus dem Dienste scheiden. So kam es nicht mehr zum Abriss der Baracken und der Erneuerung des Daches. Erstes hätte er noch gerne gesehen, dem Nachfolger aber das letzte überlassen zu müssen, hielt er für sinnvoll. So kam es dann auch. Mit dem neuen Dache verging ein wenig alter Glanz. Es verschwanden die glasierten schwarzen Dachziegel von 1872 und 1889.

1987 fing für die Schule ein ganz neues Kapitel an. Sie wurde Versuchsschule. Doch die Zeiten änderten sich. Viele Kinder verloren die häusliche Wärme und geschwisterlichen Beziehungen, Eltern glaubten, sich im Berufe verwirklichen zu müssen. Die Familie löste sich in den Interessen der einzelnen Glieder auf. Für sehr viel Geld wurde die Schule um- und ausgebaut, um Kinder nachmittags betreuen zu können. Nun ist die Schule wieder auf dem Wege zur Ganztagsschule, was sie schon 1872 war.

Der Weg der Schule durch die Jahrhunderte führte über andauernden äußeren und inneren Umbau. Damit erwies sich die Hehlentorschule als fortschrittlich, welches Prädikat sie aber kaum jemals angestrebt hat. Immer blieben ihre Leistungen anerkannt gut. Kaum ein Lehrer verließ die Schule freiwillig. Die Kinder fühlten sich wohl, weil alles so „alt, verbaut und winklig“ war, wie sie es oft beschrieben. Schade ist, dass die Veränderungen oft sehr hart erkämpft werden mussten. Möge das in Zukunft ein wenig anders werden.

Die Geschichte lehrt uns aber auch – im Jubiläumsjahr 2022:

Es sind die Krisen, die uns und unsere Pädagogik immer wieder auf den Prüfstand stellen und uns herausfordern, den Blickwinkel zu justieren.

Es gibt immer wieder Situationen, für die es keinen Masterplan gibt: Was ist richtig? Was ist zumutbar? Wie kann man verantwortlich handeln? Entscheidungen sind oft nicht nur funktional zu begründen, sondern sensibel zu bedenken.

Als Menschen sind wir aufgefordert, so zu handeln, dass eine größtmögliche Übereinstimmung mit unseren Werten und Idealen besteht. Dabei geht es nicht um das, was für uns selbst richtig und anständig wäre. Das wäre Moral – die fühlt was richtig ist und muss nicht nachdenken. Moral „weiß immer schon“. 
Wir müssen uns den Fragen der Ethik stellen. Ethik ist kritisch und vor allem selbstkritisch, unparteiisch und nicht ideologisch. Ethik besteht darin, dass ich mich verpflichtet fühle, allem Leben die gleiche Erfurcht entgegenzubringen, wie dem eigenen Leben. (Albert Schweitzer)

Das alleine reicht aber nicht aus: Die Regeln, die unserem Handeln zugrunde liegen, müssen dabei stets auf die Allgemeinheit übertragen werden können – dahinter steckt also die Frage: Was wäre, wenn alle so handeln würden?

Eine große Prüfung brachte Corona mit sich. Corona hat die stark voneinander abweichenden Voraussetzungen unter den Kindern weiter provoziert.

Auch in diesem tiefen Tal haben wir alles darangesetzt, nach vorne zu schauen und Lösungen zu finden. Wie haben die Kinder in Not möglichst in Präsenz versorgt.

Was wäre, wenn alle so handeln würden?

Für die Zukunft brauchen wir Alternativen. Die Chance, die in der Digitalisierung liegt, muss als Erweiterung genutzt werden können, um jedes einzelne Kind fördern und fordern zu können.

Die Infrastruktur ist in einem Herkulesakt geschaffen worden, nun kann es weitergehen..

Corona und der Krieg in der Ukraine zeigen uns auf, wie zerbrechlich unsere Sicherheit, unser Leben in Freiheit und Frieden ist. Was ist richtig? Was ist zumutbar? Wie kann man verantwortlich handeln?

Wie gut, dass der Zeitgeist und das gesellschaftliche Bewusstsein immer in Bewegung sind. Dass wir unsere Lebensumstände in ökonomischer, ökologischer und politscher Sicht verändern können, gemeinsam und ganz real.